JLU-Studierende von massiver Polizeigewalt betroffen

Am Samstag, den 15.08.2020, veranstaltete die rechtsextreme Kleinstpartei „Die Rechte“ eine Demonstration in Gedenken an den Nazi Rudolf Heß im rheinland-pfälzischen Ingelheim. An der Versammlung beteiligten sich knapp 20 Neonazis.

Aus verschiedenen Städten reiste eine 3-stellige Anzahl von Antifaschist*innen an, um sich dem Gegenprotest anzuschließen. Unter ihnen befanden sich auch einige Studierende der JLU. Aufgrund massiver Polizeigewalt gegen die Antifaschist*innen, haben sich diese Studierenden mit der Bitte, diese Vorfälle öffentlich zu machen, an den AStA der JLU als ihre Vertretung gewandt.

Zu den Vorfällen liegen bereits verschiedene (Presse-)berichte vor (s.u.), die an dieser Stelle um die Perspektive unserer Kommiliton*innen ergänzt werden sollen.

Die Berichte der Studierenden zeichnen ein Bild von völlig unverhältnismäßiger Polizeigewalt und decken sich mit Videos der betreffenden Situationen und der Pressemitteilung einer anwesenden und Hilfe leistenden Sanitätsgruppe.[1] Diese hätten im Laufe des Tages über 116 durch die Polizei verletzte Personen versorgen müssen, wobei von einer hohen Dunkelziffer auszugehen sei.

Die Kommiliton*innen beschreiben unter anderem folgende Szenerie:

„Die Situation in der Unterführung war eines der schlimmsten Erlebnisse meines Lebens. In der engen Unterführung des Bahnhofs entstand eine Drucksituation, die so eng wurde, dass Menschen keine Luft mehr bekamen, die Hände in die Luft streckten und panisch „Lasst uns hier raus!“ schrien. Auf die Panik der Menschen, die in Atemnot um ihr Leben fürchteten, wussten die Polizist*innen nur eine Antwort und so wurden wir bereits fünf Minuten nach Ankunft zum ersten Mal mit Pfefferspray angegriffen.“

„Die Polizei versuchte anschließend weiter, die Masse rückwärts aus der Unterführung zu drängen, obwohl sich nichts bewegte. Dies geschah unter Einsatz von Faustschlägen und Schlagstöcken. Erst als den Polizist*innen auffiel, dass zwei ihrer Kolleg*innen, die in Todesangst mit ihren Schlagstöcken an die Decke schlugen, um auf sich aufmerksam zu machen, mit eingeklemmt waren, wurde der Druck der Polizei von vorne kurze Zeit gelöst. Wer weiß, was sonst passiert wäre, vielleicht hätte jemand das Ganze nicht überlebt.“

Videos von der Situation[2] zeigen auch, wie die Polizei bereits vor Angst zitternde Menschen zurück in die Massenpanik drückt.

Anschließend sei die Gruppe zu einer angemeldeten Kundgebung gedrängt worden, die im Vorhinein mit Absperrungen eingezäunt wurde.

„Wir haben das Gefühl, der Ablauf des Tages war von der Polizei sehr genau geplant, also dass sie versuchen würden, den Gegenprotest direkt nach Ankunft auf der Kundgebung festzusetzen und um jeden Preis dort zu halten – und damit einen aktiven Protest gegen die Neonazis zu verhindern.“

Nach Aufforderung der Kundgebungsleitung, diese zu verlassen, weil die zugelassene Teilnehmer*innenzahl von 75 Personen um ein Vielfaches überschritten war, seien die Demonstrant*innen unter Einsatz von Schlägen und Pfefferspray mehrfach am Verlassen der Kundgebung gehindert worden.

„Im weiteren Verlauf des Tages verhinderte die Polizei nicht nur durch Festsetzen der angemeldeten Kundgebung die Einhaltung der Corona-Schutz-Maßnahmen, sondern nahm den Menschen durch mehrfaches Verkleinern des Kessels den letzten Raum zum Abstandhalten. Außerdem wurde massiv Pfefferspray angewendet, weshalb laut Sanitäter*innen mindestens 90 Menschen behandelt werden mussten. [1] Nicht zuletzt fiel auf, dass die Polizist*innen teilweise keinen Mund-Nase-Schutz trugen und somit sich und andere der Gefahr einer Corona-Infektion aussetzten. Auch fehlten die in Rheinland-Pfalz vorgeschriebenen Kennzeichen der einzelnen Polizist*innen.“

Weiter berichtet eine betroffene Kommilitonin:

„Wir wurden von der Polizei ca. 4 Stunden im Kessel festgehalten, dabei wurde uns zeitweise verwehrt, auf Toilette zu gehen. Später konnte dies nur unter Beobachtung in einem von der anderen Straßenseite einsichtigen Gebüsch erledigt werden. Außerdem wurde zweimal die Sanitätsstation durch die Polizei angegriffen und die Sanitäter*innen bedroht, das hat mir fast noch mehr Angst gemacht, als die Atemnot im Tunnel.“

Der AStA verurteilt diese Angriffe auf seine Kommiliton*innen und andere Antifaschist*innen scharf. Es kann nicht sein, dass deutsche Polizisten Faschisten schützen und Menschen gewaltsam attackieren, die dafür kämpfen, dass Auschwitz nie wieder sei. Dieser Vorfall ist nur ein Teil des Phänomens ausufernder und konsequenzenloser Polizeigewalt in Deutschland. Gerade in den letzten Tagen gab es besonders viele dokumentierte Fälle, in denen die Institution, die vorgibt, die Gesellschaft und ihre Bürger*innen zu schützen, Linke, vermeintlich nicht-Deutsche und andere unliebsame Menschen angegriffen und verletzt hat.

In Hamburg wurde am Montag (17.08.) ein 15-jähriger (!) von acht (!) Polizist*innen angriffen und zu Boden gerungen wo er schrie, dass er keine Luft mehr bekommt – die ganze Szene spielte sich direkt vor einem Graffiti mit den letzten Worten George Floyds, bevor er von einem Polizisten ermordet wurde, ab: „Please, I can´t breathe!“. Der Grund für diese Maßnahme der gewalttätigen Hamburger Polizist*innen: Der 15-jährige fuhr auf dem Gehweg mit einem E-Scooter.[3]

In Düsseldorf wiederum kniete am Samstag (15.08.) ein Polizist auf dem Nacken eines wehrlosen Menschen – auf diese Weise wurde George Floyd in den USA ermordet.[4]

Aus Frankfurt ist ein Video von Samstagnacht (15./16.08.) dokumentiert, in dem Polizisten bei einer Festnahme mehrfach gewaltsam auf einen auf dem Boden fixierten, wehrlosen Menschen eintreten.[5]

Die Vorfälle in Ingelheim, bei denen unsere Kommiliton*innen angegriffen wurden, und all die anderen, unzähligen Beispiele – nicht selten rassistischer – Polizeigewalt, von denen hier nur ein Bruchteil wiedergegeben wurde, verdeutlichen einmal mehr, dass nicht nur die USA oder Belarus ein massives #Polizeiproblem haben, sondern auch wir hier in Deutschland.

Wir stellen uns solidarisch hinter unsere Kommiliton*innen und danken ihnen und allen anderen Antifaschist*innen für ihr Engagement im Kampf gegen den erstarkenden Faschismus. Wir fordern die bedingungslose Aufklärung der Vorfälle in Ingelheim, Hamburg, Düsseldorf, Frankfurt und überall, wo Polizist*innen ihre Macht missbrauchen, um Menschen zu verletzen. Die Verantwortlichen müssen Konsequenzen tragen!

[1] Pressemitteilung der Demosanitäter*innen: https://demosanitaeter.com/ueber-100-verletzte-bei-protesten-gegen-naziaufmarsch/.

[2] Videos aus Ingelheim: https://twitter.com/artemisclyde_/status/1295016907079262209?s=19, https://twitter.com/artemisclyde_/status/1295098902312636418.

[3] Artikel des rnd über den Vorfall in Hamburg mit eingebetteten Videos: https://www.rnd.de/panorama/kontroverser-polizeieinsatz-acht-polizisten-umzingeln-15-jahrigen-in-hamburg-WJIPPSCJPJACFEO7TWIM7LAIOY.html.

[4] Artikel der ZEIT zum Vorfall in Düsseldorf: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-08/duesseldorfer-polizei-umstrittener-polizeieinsatz-untersuchungen-nrw-innenministerium. Artikel der taz zum Vorfall in Düsseldorf: https://taz.de/Vorfall-bei-Polizeieinsatz-in-Duesseldorf/!5707538/. Video zum Vorfall in Düsseldorf: https://twitter.com/binwiederdabro/status/1295067546727718912?s=21.

[5] Artikel der hessenschau mit Video der Situation sowie weiteres Video: https://www.hessenschau.de/panorama/ermittlungen-gegen-beamten-video-zeigt-polizeigewalt-bei-einsatz-in-frankfurt-,polizeigewalt-frankfurt-100.html, https://www.hessenschau.de/tv-sendung/neues-video-zeigt-weitere-attacke-auf-festgenommenen-,video-129986.html.

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