Zweieinhalb Stunden Glücksspiel: Gießener Studierendenvertretungen kritisieren Corona-Nothilfe Maßnahmen des Landes Hessen

Erfreulicherweise wurde vergangenes Wochenende endlich, nach Wochen des Ausnahmezustands, angekündigt, dass das Land Hessen „Schnelle Hilfe für in Not geratene Studierende“ bereitstellen will. Das war eine unfassbar wichtige Nachricht, hat die Corona-Krise doch unzählige Arbeitsplätze von Studierenden, so etwa in der Gastronomie oder im Messewesen, wegfallen lassen und sie vor enorme finanzielle Schwierigkeiten gestellt.

Der am Mittwoch (22. April) gestarte Nothilfe-Fonds war allerdings nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Innerhalb von 2,5 Stunden waren die Mittel erschöpft. Die für die Verteilung zuständigen Studendentenwerke hatten im Vorhinein keinen konkreten Zeitpunkt veröffentlicht, ab wann die Antragstellung möglich sein würde, welche Bedingungen bestünden und welche Unterlagen eingereicht werden müssten. Wie die Auswahl gestaltet wird, ist weiterhin nicht öffentlich nachvollziehbar. Dieses Vorgehen ist eine Bankrotterklärung und gleicht einem Glückspiel. Berechtigterweise protestierten zahlreiche Studierende u.a. in den sozialen Netzwerken.

Doch diese katastrophale Gestaltung des Vergabeverfahrens darf nicht über das eigentliche Problem hinwegtäuschen: die mangelhafte Summe der bereitgestellten Mittel. Selbst der am besten konzipierte Mechanismus wird nicht in der Lage sein, zu wenig Geld fair zu verteilen. In Hessen sind etwa 80.000 Studierende von den insgesamt ca. 260.000 Studierenden auf ihren Nebenjob angewiesen, um ihre Miete und den nicht zuletzt auch den in diesen Zeiten für ein digitales Studium unbedingt notwendigen Internetvertrag zahlen zu können.[1]

Die bereitgestellten 250.000€ plus der spontanen Aufstockung um 145.000€ aus der Kasse der Studentenwerke reichen bei einer Auszahlung von 200€ pro Antragsteller*in nicht ein Mal für jede*n 40. der potentiell 80.000 Studierenden, die unverschuldet in finanzielle Nöte geraten sind und auf Zuschüsse angewiesen sind. Insgesamt konnten nur 1.975 Studierende gefördert werden. Der realitätsferne Zuschuss von 200€ reicht zusätzlich bei weitem nicht aus. In vielen Fällen entspricht dies gerade einer halben Monatsmiete und ersetzt nicht einmal die Hälfte eines 450€ Jobs.

Die hessische Landesregierung aus CDU und Grünen spielt in dieser Situation die Verantwortung an den Bund weiter. Dort verhindert Bundesbildungsministerin Karliczek nachhaltige Maßnahmen und will mit vollständig rückzahlungspflichtigen Darlehen die massenhafte Verschuldung unzähliger Studierender weiter vorantreiben. Dringend notwendige umfangreiche Maßnahmen, wie einen Vollzuschuss für alle Studierenden, lassen allerdings weiter auf sich warten. Während für die Wirtschaft in kürzester Zeit 750 Milliarden Euro bereitgestellt wurden [2], müssen Studierende in ihrer misslichen Situation ausharren. Besonders bedenklich ist diese Lage hinsichtlich der Tatsache, dass 2019 fast 1 Mrd. Euro BAföG-Mittel nicht abgerufen wurden und verfügbar wären. [3] Wie dringend ein sofortiger und ausreichender finanzieller Rettungsschirm für Studierende ist, zeigen die Anfragen von Studierenden beim aus den Studierendengeldern finanzierten „Solifonds Gießen“, die um ca. 120% gestiegen sind. Es ist ein untragbarer Zustand, dass die Studierendenschaft selbst diese Last schultern muss!

Wir unterstützen die Studierenden als unmittelbar Betroffene und fordern alle weiteren Akteur*innen, wie das Studentenwerk und die Hochschulen auf, jetzt den Druck auf das BMBF massiv zu verstärken: Für einen wirklich wirksamen Krisenzuschuss, der den Studierende zu Gute kommt! Gemeinsam müssen wir den Verantwortlichen klarmachen, dass dieses Sommersemester für die vielen prekarisierten Menschen im Hochschulwesen zu einem Katastrophensemester zu werden droht.

Doch die fehlende finanzielle Unterstützung ist nicht das einzige Problem in diesem Ausnahmesemester. In der ersten Semesterwoche hat sich bereits gezeigt, dass die Infrastruktur dringend gestärkt werden muss:

Die Server der für die gerade in diesen Zeiten unabdingbare wichtigen Systeme der Lehre der JLU wie StudIP und Ilias waren direkt am ersten Tag überlastet. Die massenhaft digital bereitgestellten Materialien und Aufzeichnungen werden vermutlich die Datenbegrenzung des Internets der Wohnheimbewohner*innen sprengen. Viele Lehrende, aber auch Studierende, sind mit den Anforderungen einer komplett online stadtfindenden Lehre überfordert.

Wir verweisen an dieser Stelle erneut auf die bereits Anfang April vom AStA der JLU veröffentlichte Stellungnahme und Forderungen zur Corona-Krise.[4] Studierende, die unschuldig in finanzielle Not geraten sind, können weiterhin beim von der Studierendenschaft finanzierten „Solifonds“ eine Unterstützung beantragen. [5]

Quellen

[1]https://www.studentenwerke.de/sites/default/files/se21_zusammenfassung_hauptbericht.pdf

[2]https://www.handwerksblatt.de/themen-specials/lassen-sie-sich-nicht-anstecken/corona-krise-156-milliarden-euro-fuer-die-wirtschaft

[3] https://www.bafoeg-rechner.de/Hintergrund/art-2353-soforthilfe-als-darlehen.php

[4]https://www.asta-giessen.de/stellungnahme-und-forderungen-des-asta-der-jlu-zur-aktuellen-corona-krise/

[5] https://solifonds-giessen.de

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